Südkurier: Seelsorge für unterwegs: Kirche bietet Lenkpause an der Raststätte Hegau an

Ein ökumenischer Multi-Kulti-Gottesdienst und Essen. So begrüßt die Kirche Fernfahrer an der Raststätte Hegau. Ein besonderes Angebot, das gerne genutzt wird.

Seelsorge einmal anders: Der katholische Dekan Matthias Zimmermann probt das Gefühl, zwischen zwei Lastwagen zu stehen. | Bild: Uli Fricker

Er kennt sie alle, die deutschen Autobahnen: Bogdan Matskin aus der Ukraine. Denn von seinem Lastwagen aus hat er den Überblick – und fährt durch die Bundesrepublik. Aber das, was er an diesem Wochenende erlebt hat, hat er so zum ersten Mal erlebt.

An der Autobahnraststätte Hegau fuhr er rechts heraus, einmal kurz die Füße vertreten. Da wurde er von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter, der die Arbeitnehmerseelsorge und das Dekanat Hegau unterstützt, angesprochen. Er folgte dessen Einladung zum Essen – und zu einem Gottesdienst. In der Autobahnkapelle beim Rasthaus Hegau-West fand ein Gottesdienst speziell für Brummifahrer statt. Mit Gebeten auf Polnisch, Ungarisch, Rumänisch und Russisch, auch in Matskins Muttersprache Ukrainisch. In dem Gottesdienst kamen die Sorgen vor, die ein Fernfahrer hat: die Bitte um Gelassenheit in Staus und ein Gebet um Schutz vor Unfällen. Und ein Gebet für die Ehen und Familien der viel fahrenden Lastwagenfahrer.

Diakon Klaus Käfer (rechts) lädt zwei polnische Fernfahrer zur Lenkpause ein. Orangen gibt es dazu. | Bild: Uli Fricker

Bogdan Matskin bereut es nicht, dass er an diesem Sonntag sein Gaspedal gegen das Gebet und die Bremse gegen die Bibel eingetauscht hat. „Mir hat es gefallen“, bestätigt er. Dekan Matthias Zimmermann hatte in dem Gottesdienst zuvor erläutert: „Dies ist ein ökumenischer Multi-Kulti-Gottesdienst. Ich wünsche mir viele Begegnungen und Gespräche.. Diese Begegnungen fanden nach dem Gottesdienst beim Mittagessen statt. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Dagmar Bigerl äußerte: „Das Gemüse ist als Erstes ausgegangen.“ So groß war wohl das Bedürfnis nach Vitaminen bei den Lkw-Fahrern. Zimmermann beschreibt das Anliegen, das hinter der „Lenkpause“ steckt: „Es geht ja nicht nur darum, dass die Menschen zu uns kommen. Wir gehen auf sie zu. Wir möchten den Menschen etwas Gutes tun.“

Am ersten Tag der Aktion habe sich eine gewisse Scheu gezeigt. Am Sonntag hatten sich etwa 15 Lastwagenfahrer in den Gottesdienst gewagt. Gianfranco Rizzuti, Referent für die katholische Arbeitnehmerseelsorge, bewertet die Aktion als Erfolg. „Wir haben über 50 Ehrenamtliche. Diese haben bis Sonntag bereits über 700 Mahlzeiten an Lastwagenfahrer ausgegeben. Die Autobahnraststätte hat zu einem fairen Preis gekocht.“

Multi-Kulti bei der „Lenkpause“ an der Engener Autobahnkapelle: Bogdan Matskin (Lastwagenfahrer aus der Ukraine), Willi Schmidberger und Tanja Schnopp (Polizeipräsidium Konstanz), Dimitry Gubin (Busfahrer und Mitarbeiter), Birgit Orlowski (Ehrenamtliche für das Netzwerk Kirche & Arbeitswelt), Dekan Matthias Zimmermann (Engen), Gianfranco Rizutti (katholische Arbeitnehmerseelsorge), Melnyk Petro (Lastwagenfahrer aus der Ukraine), Ans Gilg (Betriebsseelsorger Diözese Augsburg), Martin Zarner (Betriebsseelsorger Diözese Rotteenburg-Stuttgart)

Die Lastwagenfahrer konnten auf Wunsch auch mit Bussen von Parkplätzen der Umgebung zur Lenkpause gebracht werden. Das Projekt hat mehrere Zielrichtungen, man wolle einerseits informieren – andererseits etwas Gutes tun. Betriebsräte, Gewerkschaften, Caritas, Malteser und die Polizei packten mit an. Gianfranco Rizzuti wünscht sich: „Es wäre schön, wenn die Lenkpause weiter geht. Ich würde die Aktion gerne wiederholen. Und vielleicht macht die Idee auch Schule.“ Dann könnte Bogdan Matskin bald nicht nur im Hegau eine Lenkpause einlegen.


Zum Projekt

Zu einer „Lenkpause für Körper und Seele“ an der Autobahnkapelle beim Rasthaus Hegau-West lud das katholische Dekanat und die Arbeitnehmerseelsorge ein. Am Sonntag fand ein Gottesdienst für Fernfahrer statt. Am Wochenende wurden mehr als 700 Mahlzeiten an die Lastwagenfahrer verschenkt. Per Shuttle-Bus wurden die Fernfahrer auch von anderen Parkplätzen in der Umgebung abgeholt. Mit Informationsständen vor Ort waren die katholische Fernfahrerseelsorge, Verdi, der DGB, Faire Mobilität, Europäische Transportarbeiter-Föderation und das Polizeipräsidium Konstanz.

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