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Abseits vom
Strandrummel verbirgt sich in Siófok ein besonderes Baukunstwerk. An
der Hauptstraße, doch etwas versteckt, liegt eine besondere Kirche.
Ein lebendiges Gebäude, das den Betrachter aus großen Eulenaugen
ansieht, die mit ihren Engelsschwingen rechts und links den Eindruck
noch verstärken, man hätte ein merkwürdiges Geschöpf vor sich. Die
Siófoker Evangelische Kirche von Architekt Imre Makovecz hat gerade
ihren zehnten Geburtstag gefeiert. Es ist noch immer eines der
originellsten Gebäude der Zentralfigur der ungarischen Organischen
Architektur.
Das Gebäude entspricht
so gar nicht den gängigen Bautypen. Das Dach der Kirche ist fast bis
zum Boden heruntergezogen, es ist trotz seiner Rundungen mit roten
Ziegeln bedeckt. Was Makovez für seine anderen Bauten (vor allem in
der etwa gleichzeitig entstandenen katholischen Kirche in Paks)
erdacht hat, ist in Ansätzen auch in der Siófoker Kirche zu finden.
Gefiederte Flügel um den Eingang, die das Gebäude in den Himmel zu
heben scheinen, ein umgestülpter Schiffsrumpf als Halle,
funktionslose dicke Holzstämme im Innenraum und ein offenes
hölzernes Dachgebälk, das ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt.
Von außen wirkt es wie ein fremdes Fabelwesen mit offenen Augen und
großem Mund, in seinem Inneren ist ein einladender Andachtsraum. In
dem eher dunklen „Schiff“ vermitteln die Holzeinbauten von Gábor
Mezei einen Eindruck von Wärme. Symbolisch erhebt sich hier die
Figur des auferstandenen Christus von László Péterfy, die auf einem
pyramidenartig aufgestockten Aufbau über dem Altar schwebt.
Márton Józsa, der damalige Pfarrer der Siófoker Gemeinde,
hatte vor mehr als zehn Jahren den damals schon berühmten
Architekten einfach angesprochen und für einen Kirchbau begeistern
können, der die wechselnden Besucher in der kleinen Balatongemeinde
besonders ansprechen sollte. Das vorrangigste Problem, nämlich
Baustoff für die extravaganten Pläne des Meisters zu organisieren,
konnte über Sachspenden von Partnergemeinden in Finnland gelöst
werden. Die dort reichlich vorhandenen Waldbestände haben diesen Bau
mit seiner raffinierten Holzkonstruktion möglich gemacht.
Mit seinem „Boot Christi“ schuf Makovecz eine weltweit
unzählige Male abgebildete Kirche, aber auch einen
Gemeindetreffpunkt, der zudem für Konzerte genutzt wird. In seine
Pläne hatte der Architekt die Ideen der Menschen, die später mit dem
Gebäude leben sollten, in den Schöpfungsprozess mit einbezogen, wie
es seiner Architekturauffassung entspricht. Auch in die Umsetzung
waren die Siófoker direkt mit einbezogen. Wollten sie ihre
eigenwillig organisch geformte Kirche haben, dann mussten sie selbst
Hand anlegen am Bau. Dabei wurden sie auch von Freunden aus
Deutschland unterstützt.
Wegen der vielen deutschen Besucher
werden im Sommer sonntags Gottesdienste auch auf deutsch gehalten.
1993 konnte die Gemeinde noch das Pfarrhaus und ein Haus mit
Gemeinderaum und Gästezimmer nach Makovecz‘ Plänen fertigstellen und
hat damit ein einzigartiges, viel bewundertes Ensemble der
ungarischen Architektur erhalten.
Daniela
Tiggemann
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