Die Emmauskapelle im Hegau – Raststätte für die Seele
Unterwegs auf der A 81 – in Richtung Süden. Nach der Geisinger Steige tauchen Hinweise auf die Autobahn-Raststätte "Im Hegau-West" auf, und auch das Kirchen-Symbol, welches die neue "Emmauskapelle" ankündigt. Man steigt auf dem Parkplatz vor der Raststätte aus. Neben der gastlichen Raststätte fallen sofort zwei weitere Orte in den Blick: der schöne Panoramablick auf die umgebende Hegaulandschaft und die Emmauskapelle.
Emmaus-Erfahrung
Das grosse Hochkreuz zieht den Blick auf sich und lenkt ihn weiter auf das rechteckige Gebäude mit dem kleinen Vorhof, je nach Sonnenstand und Lichteinfall leuchtet der Beton in warmem Gelb- oder Braunton. Die Lage der Kapelle wurde so gewählt, dass sie keinen Aussichtsblick verbaut, sondern sich organisch in die Landschaft einschmiegt: unübersehbar, aber nicht dominant. Das Kreuz identifiziert das Gebäude und lädt zum Näherkommen ein. Die Mauer des Innenhofs öffnet sich zu einer Eingangspforte auf der Seite der Autobahn. Wer seine Schritte dorthin lenkt und eintritt, hat auch schon seinen persönlichen "Emmausweg" begonnen. Ihren Namen und ihr "Programm" hat die Kapelle von der berühmten biblischen Emmauserzählung bekommen (Lukas 24, 13-35): Etwas von dieser Emmaus-Erfahrung den Reisenden zur persönlichen Erfahrung werden zu lassen – das ist ein Ziel der Autobahnkapelle.
Das Hochkreuz spiegelt sich in der Fensterfront
Gleich nach dem Eintreten durch die Pforte wird es bildlich deutlich: Das Hochkreuz spiegelt sich in der kreuzweise angeordneten Fensterfront der Kapelle, von der Südwand der Kapelle schimmert das mächtige Lichtkreuz hindurch. Das dunkle, fast übermächtige Kreuz wird zum Lichtblick, zum Durchblick. Eine biblische Botschaft, die zur persölichen Erfahrung werden darf. "Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt?" (Ps 15, 1a) wird in einem Psalm gefragt.
Für diese Kapelle gilt: jede und jeder, unabhängig von Konfession, Religion oder Weltanschauung. Man muss nicht besonders fromm oder gläubig sein, nicht einmal Kirchensteuerzahler. Die Gastfreundschaft der Kapelle annehmen wollen – das reicht völlig aus. Eine "Raststätte für die Seele" will die Kapelle sein, ein freundliches Wohnzimmer für viele, die auf der A 81 unterwegs sind.
Schlicht, aber einladend
Ein kleiner, überdachter Gang öffnet sich an der Westseite zum Innenhof der Kapelle. Schon hier schirmen die Mauern etwas den Lärm der Autobahn ab. An der Mauer vor dem Hochkreuz ist der Grundstein eingelassen. Er ist eingebettet in Steine, die am Anfang der Baugeschichte von vielen Menschen gestiftet wurden. Im Inneren des Grundsteins: Dokumente und Schriftstücke zur Geschichte der Kapelle. Vor allem aber viele persönliche Segenswünsche und Gebete: der geistige Grundstein der Emmauskapelle.
In der Fensterfront gegenüber, die zu größeren Anlässen geöffnet werden kann und den Raum der Kapelle auf den Innenhof hin ausweitet, spiegelt sich der Besucher. An diesem Ort ist Zeit und Gelegenheit, sich selbst wahrzunehmen. Es geht nicht um irgendetwas – es geht um einen selbst. So wie du bist, mit deinen Gedanken, Gefühlen, Enttäuschungen und Hoffnungen – tritt ein und sei Gast!
Nach einer weiteren Tür – der Gang führt durch die Kapelle hindurch zur Südseite – steht der Besucher dann im eigentlichen Raum.
In der Kapelle
Links ein kleiner Vorraum, mit einer Wand für Schriften, Hinweise, Informationen und einer Ablage für ein Gästebuch. Der Besuch und persönliche Anliegen dürfen hier eingetragen werden. Nach rechts betritt man den Raum der Kapelle. Das Fensterkreuz im Süden zieht den Blick auf sich – hell und lichterfüllt löst sich der Umriss des Kreuzes auf. Die Einrichtung ist schlicht, will den Raum und das Erleben dort nicht überlasten oder einengen. Der Holz-Fußboden, den man betritt, hat bereits eine eigene Geschichte hinter sich: er stammt aus einem alten Freiburger Patrizierhaus und wurde für die Kapelle aufgearbeitet und verwendet. Einige bewegliche Stühle und Hocker laden zum Verweilen ein. Drei Bildtafeln an der Westwand (gestaltet von dem Sigmaringer Künstler Bernhard Maier) erzählen die Emmaus-Erzählung und nehmen den Betrachter mit seinem eigenen Leben und Erleben mit auf den Weg.
Ein kleiner Altar erinnert an das Mahl in Emmaus, ein Leuchter mit der brennenden Kerze an die brennenden Herzen. In der offen aufliegenden Bibel kann die Emmaus-Erzählung und mehr nachgelesen werden. In den Nischen der Ostseite besteht Gelegenheit, ein kleines Opferlicht anzuzünden, Gelegenheit zum Verweilen, Dasein, Nachdenken – und um der Geschichte der Emmauskapelle ein Stück der eigenen Lebensgeschichte hinzuzufügen. Die Opferlichter helfen auch beim Unterstützen der Kapelle: neben den Mitgliederbeiträgen und Spenden ist dies die einzige Einnahmequelle des Trägervereins, der für die Baukosten und laufenden Kosten Sorge trägt.
Für den einzelnen Reisenden ist die Emmauskapelle gedacht und entworfen. Aber auch ganze Reisegruppen finden hier Platz und sind willkommen – zum gemeinsamen Innehalten während einer Reise und zur Begegnung der besonderen Art. Auch Gottesdienste können in der Kapelle gefeiert werden, wenngleich die Emmauskapelle über keine "eigene" Gemeinde verfügt.
Das Emmaus-Triptychon
Zur Geschichte der Kapelle
Der Weg hin zur fertigen Kapelle war nicht einfach. Zwei große Anläufe mussten unternommen werden, um von der Idee zur Fertigstellung zu kommen. Davon berichten auch die Tafeln, die man beim Verlassen der Kapelle im Seitenraum sieht, ebenso von der Dankbarkeit gegenüber vielen Menschen, die durch Spenden und ihr Engagement die Emmauskapelle als Ort der inneren Einkehr und "Begegnung" mit sich selbst möglich gemacht haben.
"Wozu neue Kirchen bauen, wenn doch die alten so oft leer stehen?" – eine berechtigte Frage. Wer die Emmauskapelle im Hegau besucht und persönlich erlebt, wird sich darauf selbst eine Antwort geben können.
Text: Stephan Ocker
Fotos: Trägerverein Autobahnkapelle
Erzbistum Freiburg, August 2007